08.02.2019

Eintauchen in die Zeit der "Untergetauchten"

Hugo Haytink, Mitarbeiter im "Untertauchermuseum" in Aalten, hielt einen eindrücklichen Vortrag über die Zeit der deutschen Okkupation der Niederlande.

"Untergetaucht. Von dem einen auf den anderen Tag existiert man nicht mehr. Der Pass bildet eine völlig neu geschaffene Person ab – mit einem anderen Namen, Geburtsdatum und Beruf."

Dieses Schicksal traf zwischen 1940-1945, als die Niederlande von der deutschen Armee besetzt wurden, nicht nur untergetauchte Widerstandskämpfer und Juden, sondern auch Hugo Haytinks Vater, welcher den deutschen Arbeitsdienst verweigerte.

Hugo Haytink, freiwilliger Mitarbeiter im Onderduik Museum in Aalten (NL) - auf deutsch "Untertauchermuseum" - besuchte unsere Schule am vergangenen Mittwoch, den 06.02.2019, um den Pädagogikschülerinnen und -schülern der Jahrgangsstufen Q1 und Q2 die Geschichte seines Vaters und anderer Niederländer nahezubringen. Mit seiner ruhigen und schülerzugewandten Art schaffte es Herr Haytink, das geschichtliche Kapitel über den Holocaust und den 2. Weltkrieg durch das beispielhafte Schicksal seines Vaters aus persönlicher Sicht zu veranschaulichen. „Stellt euch vor ihr geht abends ins Bett, wacht morgens auf und alles ist anders!" – Nach der Bombardierung Rotterdams am 14.Mai 1940 waren die Niederlande durch Deutschland besetzt. Es galten von dem einen auf den anderen Tag neue Gesetze, welche vor allem die jüdische Bevölkerung betrafen. So kam es, dass Juden z. B. nur noch nach 16 Uhr einkaufen gehen durften, dabei schlossen die Läden bereits um 17 Uhr.

„Ich mache da nicht mit!" sei einer der Gedanken von Haytinks Vater gewesen, als er beschloss, dass er sich nicht der Zwangsarbeit stellen möchte. Doch was konnte er tun? Welche Möglichkeiten hatte er? Untertauchen. Ein neuer Pass musste her – mit neuem Namen, Geburtsdatum und Beruf. Als er nach einer befristeten Freistellung von der Schanzarbeit schließlich aufgegriffen wurde, sollte er ins Lager Amersfoort geschickt werden. Während der Zugfahrt kam es zu einer Schießerei und Haytinks Vater konnte flüchten. Doch 80 % aller niederländischen Untergetauchten, wurden letztlich gefangen, entdeckt und in Lager geschickt.

Hugo Haytink, der in späteren Jahren erst nach und nach von den Erlebnissen seines Vaters erfahren hatte, bat die Schülerinnen und Schüler, sich immer wieder vorzustellen, wie sie sich in der Besatzungszeit gefühlt und was sie unter solchen Umständen getan hätten. "Hättest du dich getraut, dich dem Befehl, die Reise in ein Lager anzutreten zu widersetzen, wie es der 14-jährige Eli tat? Hättest du wildfremde Menschen für unbestimmte Zeit bei dir aufgenommen, weil es die Zwangsunterbringung so vorgab? Hättest du dein Zuhause verlassen, weil es dir einfach befohlen worden wäre?" Diese Fragen zu beantworten sei nahezu unmöglich, da wir seit 1945 privilegiert sind in Frieden und Demokratie zu leben. Doch wie gehen wir mit den Geschehnissen um?"

Herr Haytink macht es sich zur Aufgabe, über die Erlebnisse seines Vaters und anderer Niederländer mit jungen Menschen zu sprechen. Er bat die Schülerinnen und Schüler bei seinem Vortrag, in Zukunft stets die Konsequenzen ihres eigenen Handelns und Redens zu bedenken, ihren Umgang mit Menschen zu reflektieren und den Mut zu haben, den Mund aufzumachen, wenn sie Strukturen ausgesetzt sind, die sie selbst nicht unterstützen. In einer Zeit, in der hierarchische Denkstrukturen allgegenwärtig seien, in der die eigene Person „first" gesetzt werde, in der Gruppierungen behaupteten, dass sie besser seien als andere, gelte es aus pädagogischer Sicht Heranwachsende dabei zu unterstützen zu mündigen, selbstbewussten und individuellen Persönlichkeiten heranzuwachsen. Auch knapp 70 Jahre nach dem Inkrafttreten des deutschen Grundgesetzes gelte es, einander daran zu erinnern, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.

Die Pädagogikschülerinnen und -schüler der Q1 und Q2 sowie ihre Lehrkräfte Herr Höffkes und Frau Elsweier sind dankbar für Haytinks Besuch, seinen Vortrag und den konstruktiven Austausch und hoffen auf ein Wiedersehen im Underduikmuseum in Aalten.

Het was helemaal goed, Hugo!


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